Unter dem Titel Das Kreuz mit der Taxilizenz in Rom, Hallo Taxi? Von wegen berichtet die TAZ am 14.7.2024
Ob es zu wenige gibt, oder der Verkehr schlicht zu dicht ist – Taxis sind Mangelware in Rom. Vom Lenkradproletariat kann aber keine Rede sein.
Das ist ein interessanter Artikel, den man zu lesen wissen muss. So wie er, oberflächlich und bar jeder Hintergrundinformation, geschrieben ist, ist er ein Plaidoyer für die Uberisierung des Taximarktes.
Zunächst unterstützt der Artikel die oft kolportierte Aussage, dass Taxifahrer entweder Anarchisten oder Faschisten sind. Sei’s drum. Aber Punkt für Punkt.
1. Der Autor Michael Braun glaubt seinem Kutscher nicht, wenn der sagt, dass die mangelnde Verfügbarkeit von Taxis vor allem an den dauernden Staus liegt. Ich halte das für plausibel. In Rom wie in Berlin brauchst du etwa vier Fahrgäste pro Stunde, um auf Einnahmen zu kommen, von denen du passabel leben kannst. Das ist bei Stau nicht zu schaffen. Die Fahrgäste müssen warten, weil die Fahrer viel Zeit mit der Anfahrt zum nächsten Kunden oder Halteplatz verbringen.
2. Beginnen wir mit einem Vergleich der Eckdaten von Rom und Berlin, die sich auf die Umsätze von Taxis auswirken.
In Rom leben auf 1287,36 km² etwa 2,8 Millionen Einwohner, während Berlin auf 891,7 km² 3,8 Millionen Menschen beherbergt. Dafür ist die Fläche der Stadt Rom 1,4 Mal größer als die des nicht ganz kleinen Berlins.
Für diese Einwohner arbeiten 7800 Taxis in Rom und 5606 in Berlin. Ein Taxi hat damit in Rom 352 Einwohner als potentielle Fahrgäste, in Berlin hingegen bedient ein Taxi 675 Einwohner. So gesehen sollte es den Berliner Kutschern besser gehen als ihren römischen Kollegen.
Dennoch kann ein Taxifahrer in Rom von seiner Arbeit bescheiden leben, während sein Berliner Kollege weniger als den gesetzlichen Mindestlohn verdient. Allein die größere Fläche Roms lässt vermuten, dass die Taxitouren dort im Durchschnitt länger und einträglicher sein dürften, aber ob das wirklich so ist und wie stark sich das auswirkt, ist nicht bekannt.
Eine substantielle Erklärung für die bessere Lage in Rom kann nur sein, dass es in dort keine Billig-Uber sondern nur teure Uber-Black Limousinen gibt und vor allem, dass die Zahl der Fahrer und Taxis reguliert wird, damit sich kein ruinöser Verdrängungswettbewerb zwischen den Taxifahrern entwickelt.
3. Dass Taxis nur 8 Stunden am Tag betrieben werden dürfen halte ich für einen Mythos. Es muss sich um eine Arbeitszeitbegrenzung handeln. Die funktioniert in Paris [1] auch, und dort gibt es keinen Taximangel. Durch die Beschäftigung mehrerer Fahrer pro Auto sollte dem Mangel abzuhelfen sein. Vermutlich ist das römische Taxigewerbe noch kleingewerblich strukturiert, und die Einwagenunternehmer scheuen die mit der Beschäftigung von Angestellten verbundenen Unannehmlichkeiten.
4. Bei der Einordnung der Angaben zum Einkommen fällt der Autor offenbar auf die im Taxigewerbe verbreitete Vermischung [2] von Angaben zu Umsatz und Verdienst herein.
Wir dürfen davon ausgehen, dass die Angaben zu Löhnen und Gewinnen beim Fiskus von den Kutschern leicht untertrieben werden, jedoch nicht in dramatischem Ausmaß. Dazu funktioniert in Italien die Überwachung und Mafia-Bekämpfung zu gut. Sie klappt zumindest besser als in Deutschland.
Wenn dem Fiskus in der Regel € 1250,00 monatliches Taxifahrereinkommen gemeldet werden, dann ergibt sich das aus Verkehrslage, Fahrtgeschwindigkeit und Auslastung. Die im Artikel genannten 3000 Euro Monatseinnahmen sind vollkommen plausibel. Es wird offenbar über Umsätze gesprochen, nicht über Nettolohn oder Unternehmensgewinn. Die tollen Einnahmen von 9000 Euro in der Weihnachtszeit, von denen die Rede ist, gibt es im Winter, wenn weniger Touristen und Verkehr die Stadt blockieren. In der Adventszeit kann der Umsatz deutlich steigen und sich für sehr fleißige Fahrer verdreifachen. [3]
5. Wahrscheinlich geht es den römischen Kollegen besser als den Berlinern, weil sie zusammenhalten.
Schon seit Jahren versucht der Bürgermeister, den immer kampfbereiten Taxifahrergewerkschaften das Ja zu neuen Lizenzen abzutrotzen. Gut 7.800 Lizenzen gibt es bisher, jeder Wagen ist aber bloß acht Stunden am Tag unterwegs. Jetzt hat die Stadt endlich die Zustimmung der Taxigewerkschaften zur Ausgabe von 1.000 neuen Lizenzen erreicht.
Wir erfahren auch, dass am Steuer von Roms Taxis nur Ur-Römer sitzen. Bislang haben sich offenbar keine Betriebe ansiedeln können, die Zuwanderer bis aufs Blut ausbeuten und die Einkommen der Taxifahrer unter das Niveau des Mindestlohns drücken. Berlin sollte von Rom lernen, wie sich eine Hauptstadt gegen internationale Monopolkonzerne und ortsansässige organisierte Kriminalität zur Wehr setzten kann. [4]
6. Wenn Taxifahrer Meloni wählen, dürfte es daran liegen, dass ihre faschistische Partei die schützende Regulierung des Taximarktes nicht angetastet hat. Vielleicht ist die Bande im Lande nicht ganz so liberal wie sie sich auf europäischer Ebene gibt. Die Kollegen sind in der Regel sehr pragmatisch, wenn es um die Beurteilung von Politik geht. Sie muss etwas bringen, das sich unmittelbar auszahlt.
Wer macht den Kollegen in Rom ein besseres Angebot?