Zum Umgang mit maroden Taxibetrieben

12. Dezember 2020 von Redaktion

Die Branche liegt darnieder, schwer angeschlagen von Uber und Corona. Wie steht es um das Verhältnis von Chefs, gewerkschaftlich organisierten und nicht organisierten Fahrern? [1] Die 2600 Jahre alte Fabel des Äsop gibt Auskunft.

Der alte Löwe und der Fuchs

Ein Löwe lag alt und schwach in seiner Höhle und war nicht mehr fähig, selbst auf die Jagd zu gehen. Er wäre elend zugrundegegangen. Doch in seiner Not ließ er in seinem Reich die Botschaft von seinem nahen Tode verbreiten und allen Untertanen befehlen, an den königlichen Hof zu kommen. Er wolle von jedem persönlich Abschied nehmen.
 
Nacheinander trudelten die Tiere vor der Höhle des Löwen ein, und der König der Tiere rief jeden zu sich. Mit kleinen Geschenken gingen sie einzeln zu ihm hinein, denn sie erhofften sich alle großen Vorteil davon.
 
Ein gerissener Fuchs hatte eine Zeitlang in der Nähe der Höhle verbracht und das Kommen beobachtet. »Seltsam«, dachte er, »alle Tiere gehen in die Höhle hinein, aber niemand kehrt daraus zurück. Die Burg des Königs ist zwar geräumig, so groß ist sie nun auch nicht, daß sie alle Untertanen aufnehmen kann. Eigentlich müßte sie schon lange überfüllt sein.«
 
Vorsichtig trat der Fuchs vor den Eingang und rief höflich: »Herr König, ich wünsche Euch ewige Gesundheit und einen guten Abend.«
 
»Ha, Rotpelz, du kommst sehr spät«, ächzte der Löwe, als läge er wirklich schon in den letzten Zügen, »hättest du noch einen Tag länger gezögert, so wärest du nur noch einem toten König begegnet. Sei mir trotzdem herzlich willkommen und erleichtere mir meine letzten Stunden mit deinen heitern Geschichten.«
 
»Seid Ihr denn allein?« erkundigte der Fuchs sich mit gespieltem Erstaunen. Der Löwe antwortete grimmig: »Bisher kamen schon einige meiner Untertanen, aber sie haben mich alle gelangweilt, darum habe ich sie wieder fortgeschickt. Jedoch du, Rotpelz, bist lustig und immer voll pfiffiger Einfälle. Tritt näher, ich befehle es dir.«
 
»Edler König«, sprach der Fuchs demütig, »Ihr gebt mir ein schweres Rätsel auf. Unzählige Spuren im Sand führen in Eure Burg hinein, aber keine einzige wieder heraus, und Eure Festung hat nur einen Eingang. Mein Gebieter, Ihr seid mir zu klug. Ich will Euch nicht mit meiner Dummheit beleidigen und lieber wieder fortgehen. Eines aber will ich für Euch tun, ich werde dieses Rätsel für mich behalten.« Der Fuchs verabschiedete sich und ließ den Löwen allein.

Die AG Taxi wünscht allen Kolleginnen und Kollegen ein friedliches und, falls Ihr Weihnachten am Steuer verbringt, ertragreiches Weihnachtsfest. Wenn Euer Betrieb eine Weihnachtsfeier ausrichtet, denkt an die Weisheit des Äsop. [2]

Zitiert nach https://www.projekt-gutenberg.org/aesop/fabeln/chap034.html
Dortige Quellenangaben: Steinhöwels »Erneuerter Esopus« bearbeitet von Victor Zobel. Illustriert, Fabeln. Zusammengestellt und ins Deutsche übertragen von August Hausrath

Alle Werke auf projekt-gutenberg.org stammen von Autoren, die mehr als 70 Jahre tot und deshalb gemeinfrei sind.
Logo und Illustration dieses Artikels stammen von Gustave Doré, der seit 1883 nicht mehr unter den Lebenden weilt. Sein Werk ist deshalb frei verwendbar.

Wer’s Französisch mag, kann sich den Text vom ollen Jean de La Fontaine zu Gemüte führen:

Le Lion malade et le Renard

De par le roi des animaux,
Qui dans son antre était malade,
Fut fait savoir à ses vassaux
Que chaque espèce en ambassade
Envoyât gens le visiter,
 
Sous promesse de bien traiter
Les députés, eux et leur suite,
Foi de lion, très bien écrite,
Bon passeport contre la dent,
Contre la griffe tout autant.
 
L’édit du prince s’exécute :
De chaque espèce on lui députe.
Les renards gardant la maison,
Un d’eux en dit cette raison :
«Les pas empreints sur la poussière
 
Par ceux qui s’en vont faire au malade leur cour,
Tous, sans exception, regardent sa tanière;
Pas un ne marque de retour :
Cela nous met en méfiance.
Que Sa Majesté nous dispense :
 
Grand merci de son passeport;
Je le crois bon; mais dans cet antre
Je vois fort bien comme l’on entre,
Et ne vois pas comme on en sort.»

[1An den Halteplätzen treffen wir im Augenblick wirklich nur Fahrer. Wo seid Ihr Kollginnen?

[2Der Mann hieß wirklich Äsop, nicht Esso. Hier steht mehr über ihn.

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